Urteile vom 20. Juli 2022 – VIII ZR 337/21, VIII ZR 339/21 und VIII ZR 361/21
Der Bundesgerichtshof hat sich gestern mit den formellen Anforderungen an Mieterhöhungsklärungen nach der Durchführung von Modernisierungsmaßnahmen befasst. Es handelt sich um drei von einer Vielzahl beim VIII. Zivilsenat anhängiger Verfahren, mit denen Mieter verschiedener Wohnungen in Bremen gegen Mieterhöhungen der beklagten Vermieterin vorgehen.
Sachverhalt:
In sämtlichen Verfahren sind die Kläger jeweils Mieter von Wohnungen der Beklagten in Bremen. Diese erhöhte infolge von Modernisierungen der betreffenden Wohnungen sowie der Gebäude, in denen sich die Wohnungen befinden, die monatlich zu zahlende Grundmiete. Den Mieterhöhungsschreiben war jeweils eine als „Kostenzusammenstellung und Berechnung der Mieterhöhung“ bezeichnete Anlage beigefügt. Diese enthielt unter anderem Angaben zu den einzelnen Modernisierungsmaßnahmen, die hierfür jeweils angefallenen Gesamtkosten, den jeweils nach Abzug der Instandhaltungskosten verbleibenden umlagefähigen Modernisierungskostenanteil sowie die sich daraus ergebende Berechnung der jeweiligen Mieterhöhung. Die Kläger halten die Mieterhöhungserklärungen bereits aus formellen Gründen für unwirksam. Sie begehren mit ihren Klagen die Feststellung, dass der Beklagten ein Anspruch auf Zahlung der erhöhten Miete nicht zustehe, und zum Teil zusätzlich die Rückzahlung ihrer Ansicht nach überzahlter Mieten.
Bisheriger Prozessverlauf:
Das Berufungsgericht hat in allen drei Verfahren die Mieterhöhungserklärungen bereits aus formellen Gründen für unwirksam erachtet und den Klagen jeweils stattgegeben. Jedenfalls bei umfassenden und kostenträchtigen Modernisierungsmaßnahmen beziehungsweise solchen, die außerhalb der Wohnung des Mieters vorgenommen würden oder mehrere Gebäude umfassten, sei zur Erfüllung der formellen Anforderungen des § 559b Abs. 1 Satz 2 BGB eine weitere Untergliederung der betreffenden Kostenpositionen erforderlich. Das könnte etwa durch eine Aufschlüsselung nach verschiedenen Gewerken, „konkreten Arbeitsabschnitten“ oder „greifbaren Einzelarbeiten“ erfolgen. Nur auf diese Weise könne der Mieter den Kostenansatz des Vermieters auf seine Plausibilität und Berechtigung im Hinblick auf etwa in ihm enthaltene, nicht umlagefähige Instandhaltungskosten (§ 559 Abs. 2 BGB) überprüfen. Mit den vom Berufungsgericht jeweils zugelassenen Revisionen verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass es zur Erfüllung der formellen Anforderungen des § 559b Abs. 1 Satz 2 BGB ausreichend ist, wenn ein Vermieter die für eine bestimmte Modernisierungsmaßnahme angefallenen Kosten als Gesamtsumme ausweist und einen seiner Meinung nach in den Gesamtkosten enthaltenen Instandsetzungsteil durch die Angabe einer Quote oder eines bezifferten Betrags kenntlich macht. Eine Aufschlüsselung der für eine bestimmte Modernisierungsmaßnahme entstandenen Gesamtkosten nach den einzelnen angefallenen Gewerken oder anderen Bauleistungsbereichen ist hingegen grundsätzlich auch dann nicht erforderlich, wenn umfangreiche und entsprechend kostenträchtige bauliche Veränderungen oder Maßnahmen außerhalb der betroffenen Wohnung oder an mehreren Gebäuden ausgeführt wurden.
Nach § 559 Abs. 1 BGB kann der Vermieter nach der Durchführung bestimmter Modernisierungsmaßnahmen die jährliche Miete um 11 Prozent (seit 1. Januar 2019 um 8 Prozent) der für die Wohnung aufgewendeten Kosten erhöhen. Dabei ist die Mieterhöhung gemäß § 559b Abs. 1 BGB dem Mieter in Textform zu erklären und darin die Erhöhung aufgrund der entstandenen Kosten zu berechnen und entsprechend den Voraussetzungen der §§ 559, 559a BGB zu erläutern. Damit soll insbesondere eine Abgrenzung berücksichtigungsfähiger Modernisierungsmaßnahmen (§ 555b BGB) von insoweit nicht berücksichtigungsfähigen Erhaltungsmaßnamen (§ 555a BGB) gewährleistet werden.
Diese formellen Anforderungen an die Erhöhungserklärung in § 559b Abs. 1 BGB bilden das notwendige Gegengewicht zu der dem Vermieter in Abweichung von allgemeinen Grundsätzen des Vertragsrechts eingeräumten Möglichkeit, die Pflicht des Mieters zur Mietzahlung durch einseitige Erklärung zu gestalten. Der Mieter soll in die Lage versetzt werden, den Grund und den Umfang der Mieterhöhung auf Plausibilität zu überprüfen und entscheiden zu können, ob Bedarf für eine eingehendere Kontrolle – etwa durch Zuziehung juristisch oder bautechnisch sachkundiger Personen, durch Einholung weiterer Auskünfte beim Vermieter und/oder durch Einsichtnahme in die Rechnungen und sonstigen Belege – besteht.
Dennoch dürfen die Hürden für die Mieterhöhungserklärung in formeller Hinsicht nicht zu hoch angesetzt werden. Denn eine Überspannung der Anforderungen könnte dazu führen, dass der Vermieter eine inhaltlich berechtigte Mieterhöhung nicht durchsetzen könnte und ihm der Anreiz zur Durchführung von – vom Gesetzgeber ausdrücklich erwünschten – Modernisierungsmaßnahmen genommen würde.
Davon ausgehend ist es in formeller Hinsicht ausreichend, wenn der Vermieter in der Mieterhöhungserklärung die für eine bestimmte Modernisierungsmaßnahme angefallenen Kosten als Gesamtsumme ausweist und einen aus seiner Sicht in den Gesamtkosten enthaltenen Instandsetzungsanteil durch die Angabe einer Quote oder eines bezifferten Betrags kenntlich macht. Welchen weiteren – für die beschriebene Zielsetzung des § 559b Abs. 1 BGB maßgeblichen – Erkenntnisgewinn die vom Berufungsgericht geforderte weitergehende Aufschlüsselung der entstandenen Gesamtkosten nach Gewerken oder vergleichbaren Kriterien dem Mieter vermittelte, ist nicht ersichtlich. Zudem hat das Berufungsgericht nicht hinreichend in den Blick genommen, dass dem Mieter zur Klärung verbleibender Unsicherheiten oder auch zur Kontrolle der Angaben des Vermieters über dessen Aufwendungen auf ihre sachliche Richtigkeit ein umfassendes Auskunfts- und (Belege-)Einsichtsrecht zur Verfügung steht.
Ob die vom Vermieter angesetzten Erhöhungsbeträge tatsächlich zutreffend und angemessen sind, betrifft allein die materiell-rechtliche Nachprüfung der Erhöhungserklärung nach § 559 BGB. In deren Rahmen obliegt dem Vermieter die Darlegungs- und Beweislast nicht nur dafür, dass es sich bei den durchgeführten Baumaßnahmen um Modernisierungs- und nicht um Erhaltungsmaßnahmen handelt, sondern auch dafür, dass die der Mieterhöhung zugrunde gelegten Kosten nicht (teilweise) auf der Erhaltung dienende Maßnahmen entfallen sind. Da das Berufungsgericht die hierfür erforderlichen Feststellungen bislang nicht getroffen hat, hat der Senat die Berufungsurteile in allen drei Verfahren aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Bremen zurückverwiesen.
Vorinstanzen:
VIII ZR 337/21
Amtsgericht Bremen – 18 C 26/19 – Urteil vom 22. Februar 2019
Landgericht Bremen – 1 S 66/19 – Urteil vom 6. Oktober 2021
und
VIII ZR 339/21
Amtsgericht Bremen – 23 C 137/20 – Urteil vom 25. November 2020
Landgericht Bremen – 1 S 39/21 – Urteil vom 6. Oktober 2021
und
VIII ZR 361/21
Amtsgericht Bremen – 23 C 125/20 – Urteil vom 2. Juni 2021
Landgericht Bremen – 1 S 158/21 – Urteil vom 27. Oktober 2021
Die maßgeblichen Vorschriften lauten:
Bürgerliches Gesetzbuch
§ 555a Erhaltungsmaßnahmen
(1) Der Mieter hat Maßnahmen zu dulden, die zur Instandhaltung oder Instandsetzung der Mietsache erforderlich sind (Erhaltungsmaßnahmen).
[…]
§ 555b Modernisierungsmaßnahmen (in der bis zum 30. November 2021 gültigen Fassung)
Modernisierungsmaßnahmen sind bauliche Veränderungen,
1. durch die in Bezug auf die Mietsache Endenergie nachhaltig eingespart wird (energetische Modernisierung),
2. durch die nicht erneuerbare Primärenergie nachhaltig eingespart oder das Klima nachhaltig geschützt wird, sofern nicht bereits eine energetische Modernisierung nach Nummer 1 vorliegt,
3. durch die der Wasserverbrauch nachhaltig reduziert wird,
4. durch die der Gebrauchswert der Mietsache nachhaltig erhöht wird,
5. durch die die allgemeinen Wohnverhältnisse auf Dauer verbessert werden,
6. die auf Grund von Umständen durchgeführt werden, die der Vermieter nicht zu vertreten hat, und die keine Erhaltungsmaßnahmen nach § 555a sind, oder
7. durch die neuer Wohnraum geschaffen wird.
§ 559 Mieterhöhung nach Modernisierungsmaßnahmen (in der bis zum 31. Dezember 2018 gültigen Fassung)
(1) Hat der Vermieter Modernisierungsmaßnahmen im Sinne des § 555b Nummer 1, 3, 4, 5 oder 6 durchgeführt, so kann er die jährliche Miete um 11 Prozent der für die Wohnung aufgewendeten Kosten erhöhen.
(2) Kosten, die für Erhaltungsmaßnahmen erforderlich gewesen wären, gehören nicht zu den aufgewendeten Kosten nach Absatz 1; sie sind, soweit erforderlich, durch Schätzung zu ermitteln.
[…]
§ 559a Anrechnung von Drittmitteln
(1) Kosten, die vom Mieter oder für diesen von einem Dritten übernommen oder die mit Zuschüssen aus öffentlichen Haushalten gedeckt werden, gehören nicht zu den aufgewendeten Kosten im Sinne des § 559.
[…]
§ 559b Geltendmachung der Erhöhung, Wirkung der Erhöhungserklärung
(1) 1Die Mieterhöhung nach § 559 ist dem Mieter in Textform zu erklären. 2Die Erklärung ist nur wirksam, wenn in ihr die Erhöhung auf Grund der entstandenen Kosten berechnet und entsprechend den Voraussetzungen der §§ 559 und 559a erläutert wird. […]
Karlsruhe, den 21. Juli 2022
Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
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