Aktuell: Corona
Leider sind Reisende derzeit immer noch in Folge der Corona-Pandemie von Reiseabbruch oder Stornierung betroffen.
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Reiserecht und Reisevertragsrecht: Ihr Urlaub soll die schönste Zeit im Jahr sein.
Dies ist nicht immer der Fall. Unsaubere Hotelzimmer, schlechte Verpflegung, Ausfall oder Verspätung des Fluges. An vielen Stellen kann die Urlaubsfreude getrübt werden.
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Hier einige aktuelle Urteile des Bundesgerichtshofes zum Reiserecht:
BGH: Kein Schadensersatz für Flugpassagier wegen fehlender Nutzbarkeit von EasyPASS
Nr. 177/2022
Urteil vom 8. Dezember 2022 – III ZR 204/21
Der unter anderem für das Dienstvertragsrecht zuständige III. Zivilsenat hat heute entschieden, dass kein Schadensersatzanspruch gegen einen Flughafenbetreiber besteht, wenn ein Passagier seinen Flug versäumt, weil er oder seine mitreisenden Familienmitglieder nicht die Voraussetzungen für die Nutzung der automatisierten Grenzkontrolle (EasyPASS) erfüllen.
Sachverhalt:
Die Beklagte ist die Betreiberin eines Großflughafens, der mit dem elektronischen Grenzkontrollsystem EasyPASS ausgestattet ist. Dieses ermöglicht ein schnelleres Passieren der Grenzkontrolle, indem die Identität des Reisenden, der – neben weiteren Voraussetzungen – mindestens zwölf Jahre alt sein muss, sowie die Echtheit und Gültigkeit des elektronischen Reisedokuments automatisiert überprüft werden. Die Beklagte wies auf ihrer Internetseite auf das EasyPASS-System hin, ohne das Mindestalter für dessen Nutzung zu erwähnen.
Der Kläger hatte für sich, seine Ehefrau sowie die drei minderjährigen Kinder einen Überseeflug gebucht. Die planmäßige Abflugzeit war um 12.15 Uhr. Die Familie verpasste jedoch den Flug, da sie nach Durchlaufen der Sicherheits- und Passkontrollen das Abfluggate nicht mehr rechtzeitig erreichte.
Der Kläger hat geltend gemacht, er habe am Abflugtag zusammen mit seiner Familie das Reisegepäck um 10.07 Uhr am Check-in-Schalter aufgegeben. Um 11.10 Uhr habe sich seine Familie zu der Sicherheitskontrolle begeben und diese um 11.35 Uhr passiert. Anschließend seien sie zu den elektronischen Passkontrollen gegangen. Diese hätten aber nicht genutzt werden können, da seine jüngste Tochter noch keine zwölf Jahre alt gewesen sei. Die Familie sei deshalb an die zwei mit Personal besetzten Durchgänge verwiesen worden. Dort sei bei der Kontrolle eines anderen Passagiers ein Problem aufgetreten, was zu einer Verzögerung von 20 Minuten geführt habe. Obwohl er eine Mitarbeiterin der Beklagten auf das drohende Verpassen des Abflugs hingewiesen habe, sei er in der Warteschlange nicht vorgezogen worden.
Bisheriger Prozessverlauf:
Das Amtsgericht hat die auf Zahlung von 2.980,08 € (Erwerb eines Ersatztickets, zusätzliche Hotel- und Fahrtkosten) nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den Anspruch weiter.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Der III. Zivilsenat hat das Rechtsmittel zurückgewiesen.
Er hat dabei offengelassen, ob zwischen der Betreibergesellschaft und dem Kläger eine vertragliche Beziehung bestand, aus der Schadensersatzansprüche hergeleitet werden könnten.
Jedenfalls fiel die Organisation der Passkontrollen nicht in den Verantwortungsbereich der Flughafenbetriebsgesellschaft, sondern in den der Bundespolizei (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a BPolG). Der Flughafenbetreiber hat insoweit keine Einflussmöglichkeiten, insbesondere ist es ihm verwehrt, einzelne (verspätete) Reisende durch ein „Vorziehen der Passkontrolle“ gegenüber rechtzeitig erschienenen Passagieren zu privilegieren.
Dessen ungeachtet ergaben sich aus dem Klägervortrag keine Anhaltspunkte für eine unangemessene, auf einem Organisationsmangel beruhende Verzögerung der Passkontrolle. Nach seinen Angaben hat er um 11.35 Uhr die Sicherheitskontrolle passiert und das Abfluggate kurz nach zwölf Uhr erreicht. Die Passkontrolle ist somit zügig durchgeführt worden.
Eine Pflichtverletzung war der Beklagten auch nicht vorzuwerfen wegen des Hinweises in ihren Internetseiten auf EasyPASS, ohne zu erwähnen, dass der Passinhaber mindestens zwölf Jahre alt sein musste. Der Hinweis war ersichtlich nicht abschließend. Der Kläger hätte sich über die Nutzungsbedingungen näher, etwa über die hierfür eingerichtete Interseite der Bundespolizei, informieren müssen. Verzichtet der Fluggast auf die Einplanung eines ausreichenden Zeitpuffers, weil er das automatisierte Grenzkontrollsystem EasyPASS nutzen möchte, ohne sich rechtzeitig über dessen Modalitäten zu informieren, begibt er sich freiwillig in eine prekäre Situation, deren Folgen letztlich von ihm herbeigeführt und von ihm zu tragen sind. Der Kläger hätte sich sogar noch am Flughafen die nötigen Informationen rechtzeitig beschaffen können. Obwohl er – wie er vorgetragen hat – bereits um 10.07 Uhr das Gepäck am Check-in-Schalter aufgegeben hatte, hat er sich erst um 11.10 Uhr mit seiner Familie zur Sicherheitskontrolle begeben. Es hätte somit vor Ort noch genügend Zeit zur Verfügung gestanden, sich hinsichtlich der Nutzungsbedingungen von EasyPASS zu erkundigen. Stattdessen hat der Kläger mit seiner Familie rund eine Stunde leichtsinnig „verbummelt“, indem – wie er selbst vorträgt – unter anderem „in das ein oder andere Geschäft geschaut“ wurde.
Im Übrigen darf sich ein Fluggast auch nicht auf die ständige Betriebsbereitschaft der computergestützten elektronischen Grenzkontrolle verlassen.
Die maßgebliche Vorschrift lautet:
Gesetz über die Bundespolizei
Bundespolizeigesetz
- 2 Grenzschutz
(1) Der Bundespolizei obliegt der grenzpolizeiliche Schutz des Bundesgebietes (Grenzschutz), soweit nicht ein Land im Einvernehmen mit dem Bund Aufgaben des grenzpolizeilichen Einzeldienstes mit eigenen Kräften wahrnimmt.
(2) 1Der Grenzschutz umfaßt
1.
die polizeiliche Überwachung der Grenzen,
2.
die polizeiliche Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs einschließlich
a)
der Überprüfung der Grenzübertrittspapiere und der Berechtigung zum Grenzübertritt,
b)
der Grenzfahndung,
c)
der Abwehr von Gefahren,
3.
im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von 30 Kilometern und von der seewärtigen Begrenzung an bis zu einer Tiefe von 50 Kilometern die Abwehr von Gefahren, die die Sicherheit der Grenze beeinträchtigen.
…
Vorinstanzen:
AG Düsseldorf – Urteil vom 12. November 2020 – 49 C 143/20
LG Düsseldorf – Urteil vom 8. November 2021 – 22 S 424/20
Karlsruhe, den 8. Dezember 2022
Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
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Stornierung der Flugbuchung kann wirksam ausgeschlossen werden
Urteil vom 20. März 2018 – X ZR 25/17
Sachverhalt:
Die Kläger begehren von der beklagten Deutsche Lufthansa AG die Erstattung des gezahlten Flugpreises nach erklärter Kündigung des Vertrags.
Sie buchten im November 2014 für den 22./23. Mai 2015 Flüge von Hamburg nach Frankfurt am Main mit Anschlussflug nach Miami und von Los Angeles über Frankfurt am Main nach Hamburg zum Gesamtpreis von 2.766,32 €. Der Buchung lagen für die innerdeutschen Teilstrecken die Buchungsklasse Economy (Y) und für die interkontinentalen Teilstrecken die Klasse Premium Economy (N) zugrunde, für die die Bedingungen der Beklagten folgende Regelung vorsahen:
„Die Stornierung der Tickets ist nicht möglich. Die nicht verbrauchten Steuern und Gebühren sind erstattbar. Der internationale/nationale Zuschlag ist nicht erstattbar.“
Die Kläger stornierten am 20. März 2015 die Flüge wegen einer Erkrankung und verlangten die Erstattung des Flugpreises. Die Beklagte erstattete ihnen ersparte Steuern und Gebühren in Höhe von jeweils 133,56 €. Mit der Klage begehren sie die Rückzahlung der verbleibenden Differenz in Höhe von jeweils 1.249,60 € und die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.
Bisheriger Prozessverlauf:
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kläger ist erfolglos geblieben.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Die Revision ist nach dem Urteil des für das Reiserecht zuständigen X. Zivilsenats unbegründet. Das Landgericht hat zu Recht ein Kündigungsrecht der Kläger verneint. Entgegen der Auffassung der Beklagten sind für auf den (Luft-)Personenbeförderungsvertrag die Vorschriften des Werkvertragsrechts anwendbar. Der Fluggast kann daher nach § 649 BGB den Beförderungsvertrag jederzeit kündigen. Die Anwendung dieser Vorschrift ist jedoch durch die Beförderungsbedingungen der Beklagten im Streitfall wirksam abbedungen worden.
Der Ausschluss des Kündigungsrechts (der „Stornierung“) benachteiligt die Fluggäste nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen. Er ist insbesondere nicht mit wesentlichen Grundgedanken des Werkvertragsrechts unvereinbar. Das Kündigungsrecht nach § 649 BGB ist für das gesetzliche Leitbild eines Vertrages über die Beförderung mit einem Massenverkehrsmittel nicht maßgeblich. Die Kündigung des Werkvertrags durch den Besteller hat zur Folge, dass die Leistungspflicht des Werkunternehmers entfällt. Er soll jedoch nicht schlechter stehen, als er bei Vertragserfüllung stünde und behält somit seinen Vergütungsanspruch, muss sich jedoch ersparte Aufwendungen und die Vergütung für eine anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft anrechnen lassen. Über bestimmte Gebühren hinausgehende ersparte Aufwendungen ergeben sich bei einem Luftbeförderungsvertrag jedoch allenfalls in geringfügigem Umfang, da die Aufwendungen des Luftverkehrsunternehmens im Wesentlichen Fixkosten sind, die für die Durchführung des Fluges insgesamt anfallen und sich praktisch nicht verringern, wenn ein einzelner Fluggast an dem Flug nicht teilnimmt. Eine „anderweitige Verwendung der Arbeitskraft“ des Luftverkehrsunternehmens kommt nur dann in Betracht, wenn der Flug bei seiner Durchführung ausgebucht ist und daher ohne die Kündigung ein zahlender Fluggast hätte zurückgewiesen werden müssen. Die Ermittlung, ob sich hieraus im Einzelfall ein auf den Beförderungspreis anrechenbarer anderweitiger Erwerb ergibt, wäre jedoch typischerweise aufwendig und insbesondere dann mit Schwierigkeiten verbunden, wenn die Anzahl von Fluggästen, die gekündigt haben, größer wäre als die Anzahl der Fluggäste, die ohne die Kündigungen nicht hätten befördert werden können. Aus der Sicht des einzelnen Fluggastes, der von einem Kündigungsrecht Gebrauch gemacht hätte, hinge es zudem vom Zufall ab, ob ihm ein Erstattungsanspruch zustände oder er trotz Kündigung (nahezu) den vollständigen Flugpreis zu zahlen hätte. Will er nicht den höheren Preis zahlen, zu dem typischerweise eine flexible Buchung erhältlich ist, mit der er in jedem Fall eine Erstattung des Flugpreises erreichen kann, kann er für den Krankheitsfall, wie er im Streitfall vorlag, eine solche Erstattung durch eine Versicherung absichern. Unter Berücksichtigung dieser Umstände stellen der Ausschluss des Kündigungsrechts und die damit verbundene vereinfachte Vertragsabwicklung bei der Beförderung mit einem Massenverkehrsmittel keine unangemessene Benachteiligung des Fluggastes dar.
Vorinstanzen:
AG Köln – Urteil vom 7. Januar 2016 – 129 C 181/15
LG Köln – Urteil vom 7. Februar 2017 – 11 S 15/16
Die maßgeblichen Vorschriften lauten:
- 649 BGB aF (= § 648 BGB)
1Der Besteller kann bis zur Vollendung des Werkes jederzeit den Vertrag kündigen.
2Kündigt der Besteller, so ist der Unternehmer berechtigt, die vereinbarte Vergütung zu verlangen; er muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrags an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. 3Es wird vermutet, dass danach dem Unternehmer 5 vom Hundert der auf den noch nicht erbrachten Teil der Werkleistung entfallenden vereinbarten Vergütung zustehen.
- 307 BGB
(1) 1Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. …
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
- mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
- wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
Karlsruhe, den 20. März 2018
Pressestelle des Bundesgerichtshofs 76125 Karlsruhe Telefon (0721) 159-5013 Telefax (0721) 159-5501
Bundesgerichtshof zur Erstattung des Reisepreises nach Änderung der Reiseleistung durch Reiseveranstalter
Urteil vom 16. Januar 2018 – X ZR 44/17
Sachverhalt:
Die Kläger verlangen von dem beklagten Reiseveranstalter Erstattung des Reisepreises nach erklärtem Rücktritt.
Die Kläger buchten bei der Beklagten für den Zeitraum vom 30. August bis 13. September 2015 eine China-Rundreise. Nach dem Reiseverlauf waren für die dreitägige Dauer des Aufenthalts in Peking verschiedene Besichtigungen vorgesehen. Eine Woche vor der geplanten Abreise teilte die Beklagte den Klägern per Email mit, dass aufgrund einer Militärparade im September 2015 die Verbotene Stadt und der Platz des Himmlischen Friedens in Peking nicht besichtigt werden könnten. Stattdessen wurde ein Besuch des Yonghe-Tempels angeboten. Die Kläger erklärten daraufhin den Rücktritt vom Reisevertrag. Sie haben die Rückzahlung des Reisepreises in Höhe von 3.298 €, Ersatz nutzloser Aufwendungen für Impfungen und Visa und die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten geltend gemacht.
Bisheriger Prozessverlauf:
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Verurteilung zur Erstattung des Reisepreises bestätigt; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Die Revision der Beklagten ist nach dem Urteil des für das Reiserecht zuständigen X. Zivilsenats unbegründet. Das Landgericht hat zu Recht ein Rücktrittsrecht der Kläger bejaht. Der Reisende kann nach § 651a Abs. 5 Satz 2 BGB bei einer Erhöhung des Reisepreises um mehr als 5 % oder bei einer – im Streitfall zu bejahenden – erheblichen Änderung einer wesentlichen Reiseleistung vom Reisevertrag zurücktreten.
Abgesehen von geringfügigen vom Reisenden hinzunehmenden Abweichungen ist eine nachträgliche Leistungsänderung nur zulässig, wenn der Reiseveranstalter sich diese im Reisevertrag rechtswirksam vorbehalten hat, wofür regelmäßig nur eine entsprechende Klausel in den allgemeinen Reisebedingungen des Veranstalters in Betracht kommt. Im Streitfall fehlt es an einem wirksamen Vorbehalt, da die Änderungsklausel in den allgemeinen Reisebedingungen des beklagten Reiseveranstalters unwirksam ist. Der Reiseveranstalter kann sich nach § 308 Nr. 4 BGB nur solche Leistungsänderungen vorbehalten, die unter Berücksichtigung der Interessen des Reiseveranstalters für den Reisenden zumutbar sind. Zumutbar sind nur Änderungen aufgrund von Umständen, die nach Vertragsschluss eintreten und für den Reiseveranstalter bei Vertragsschluss auch nicht vorhersehbar sind. Außerdem dürfen sie den Charakter der Reise nicht verändern. Beide Schranken kommen in der Klausel nicht zum Ausdruck, die den Ersatz nicht mehr möglicher Reiseleistungen durch vergleichbare andere zulassen.
Jedenfalls unter Berücksichtigung der fehlenden vertraglichen Grundlage für Leistungsänderungen liegt im Streitfall eine erhebliche Änderung einer wesentlichen Reiseleistung vor. Wenn sie sich mangels vertraglicher Grundlage zugleich als Mangel der Reise darstellt, kann die Änderung einer wesentlichen Reiseleistung schon dann als erheblich anzusehen sein, wenn sie das Interesse des Reisenden daran, dass die Reise wie vereinbart erbracht wird, mehr als geringfügig beeinträchtigt. Der Besuch der Verbotenen Stadt und des Platzes des Himmlischen Friedens als einer der bekanntesten Sehenswürdigkeiten Pekings und Chinas stellte bereits für sich genommen eine wesentliche Reiseleistung dar. Sie wurde durch den Wegfall dieser Programmpunkte und ihren Ersatz durch den Besuch eines wenn auch bekannten Tempels mehr als nur geringfügig beeinträchtigt.
Vorinstanzen: AG Düsseldorf – Urteil vom 17. August 2016 – 22 C 89/16, LG Düsseldorf – Urteil vom 21. April 2017 – 22 S 254/16
Karlsruhe, den 17. Januar 2018
Pressestelle des Bundesgerichtshofs, 76125 Karlsruhe
Pressemitteilung vom 17.01.2018
Ausgleichszahlung bei Verspätung des für einen annullierten Flug angebotenen Ersatzfluges
Urteil vom 10. Oktober 2017 – X ZR 73/16
Die Kläger begehren eine Ausgleichszahlung in Höhe von jeweils 600 € nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. c i.V.m. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 (Fluggastrechteverordnung).
Sachverhalt:
Die Kläger buchten bei dem beklagten Luftverkehrsunternehmen einen Flug von Frankfurt am Main nach Singapur mit Anschlussflug nach Sydney, der auf beiden Teilstrecken von der Beklagten durchgeführt werden sollte. Die Beklagte annullierte den ersten Flug von Frankfurt nach Singapur am vorgesehenen Abflugtag und bot den Klägern als Ersatz einen Flug eines anderen Luftverkehrsunternehmens an, der am selben Tag starten und am Folgetag um etwa die gleiche Uhrzeit wie der ursprünglich vorgesehene Flug in Singapur landen sollte. Der Start dieses Fluges verzögerte sich jedoch um etwa 16 Stunden, so dass die Reisenden den ursprünglich vorgesehenen Weiterflug in Singapur nicht erreichten und mit einer Verspätung von mehr als 23 Stunden in Sydney ankamen.
Bisheriger Prozessverlauf:
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das Landgericht die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von insgesamt 1.800 Euro nebst Verzugszinsen verurteilt. Die Regelung in Art. 5 Abs. 1 Buchst. c Nr. iii FluggastrechteVO sei nach ihrem Sinn und Zweck dahin zu verstehen, dass Ausgleichsansprüche nicht bereits durch ein Angebot zur anderweitigen Beförderung ausgeschlossen würden, sondern nur dann, wenn der Fluggast mit dem angebotenen Ersatzflug sein Endziel tatsächlich höchstens zwei Stunden später als ursprünglich vorgesehen erreicht habe.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Der für das Personenbeförderungsrecht zuständige X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die Revision der Beklagten gegen das Berufungsurteil zurückgewiesen. Die Beklagte bleibt wegen der Annullierung des ursprünglichen, von ihr geplanten Fluges ausgleichspflichtig, da die Kläger mit dem ihnen angebotenen Ersatzflug ihr Endziel tatsächlich nicht höchstens zwei Stunden später als ursprünglich vorgesehen erreicht haben. Dass der angebotene Ersatzflug, wenn er planmäßig durchgeführt worden wäre, den Vorgaben des Art. 5 Abs. 1 Buchst. c Nr. iii FluggastrechteVO entsprochen hätte, reicht nicht aus, um die Beklagte von ihrer Ausgleichspflicht zu befreien. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Kläger gegen das den Ersatzflug ausführende Luftverkehrsunternehmen Ausgleichsansprüche wegen Verspätung geltend machen könnten. Den Zielen der Fluggastrechteverordnung wird allein durch ein Verständnis des Art. 5 Abs. 1 Buchst. c Nr. iii FluggastrechteVO Rechnung getragen, wonach ein Ausgleichsanspruch nur dann ausgeschlossen ist, wenn der Fluggast das Endziel mit dem Ersatzflug tatsächlich höchstens zwei Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit erreichen konnte. Die Begründung eines Ausgleichsanspruchs gegen das den Ersatzflug ausführende Luftverkehrsunternehmen genügt hierfür nicht, zumal eine Verspätung des Ersatzflugs nicht in jedem Fall zu einem Ausgleichsanspruch führt. Ein solcher Anspruch ist beispielsweise ausgeschlossen, wenn das den Ersatzflug ausführende Luftverkehrsunternehmen nicht dem Geltungsbereich der Fluggastrechteverordnung unterfällt oder dessen Verspätung weniger als drei Stunden beträgt.
Vorinstanzen:
X ZR 73/16
AG Frankfurt am Main – Urteil vom 14. Oktober 2015 – 31 C 2494/15 (17)
LG Frankfurt am Main – Urteil vom 16. Juni 2016 – 2-24 S 208/15
Die maßgeblichen Vorschriften lauten:
Art. 5 Abs. 1 Buchst. c Fluggastrechteverordnung
Bei Annullierung eines Fluges werden den betroffenen Fluggästen
vom ausführenden Luftfahrtunternehmen ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen gemäß Artikel 7 eingeräumt, es sei denn,
i)sie werden über die Annullierung mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet, oder
ii)sie werden über die Annullierung in einem Zeitraum zwischen zwei Wochen und sieben Tagen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet und erhalten ein Angebot zur anderweitigen Beförderung, das es ihnen ermöglicht, nicht mehr als zwei Stunden vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und ihr Endziel höchstens vier Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen, oder
iii)sie werden über die Annullierung weniger als sieben Tage vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet und erhalten ein Angebot zur anderweitigen Beförderung, das es ihnen ermöglicht, nicht mehr als eine Stunde vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und ihr Endziel höchstens zwei Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen.
Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c Fluggastrechteverordnung
Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so erhalten die Fluggäste Ausgleichszahlungen in folgender Höhe:
… 600 EUR bei allen nicht unter Buchstabe a oder b fallenden Flügen.
Karlsruhe, den 10. Oktober 2017
Pressestelle des Bundesgerichtshofs 76125 Karlsruhe
Pressemitteilung des Bundesgerichtshofes vom 10.10.2017
Bundesgerichtshof zur Minderung des Reisepreises bei Hotelüberbuchung und zur angemessenen Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit
Urteil vom 21. November 2017 – X ZR 111/16
Sachverhalt:
Die Kläger begehren von dem beklagten Reiseveranstalter Minderung des Reisepreises nach § 651d Abs. 1 BGB sowie eine Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit nach § 651f Abs. 2 BGB.
Die Kläger buchten im März 2015 eine Reise nach Antalya. Nach dem Reisevertrag sollten sie in einem bestimmten Hotel in einem Zimmer mit Meerblick oder seitlichem Meerblick wohnen. Wegen einer Überbuchung wurden sie jedoch für drei Tage in einem anderen Hotel untergebracht. Das Zimmer in diesem Hotel bot keinen Meerblick und wies schwerwiegende Hygienemängel auf.
Bisheriger Prozessverlauf:
Das Amtsgericht hat der Klage hinsichtlich einer Minderung des Reisepreises in Höhe von 605,19 € stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das Landgericht den Klägern eine weitere Minderung in Höhe von 371,36 € zugesprochen; die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.
Mit den vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen begehren die Kläger weiterhin die ihnen von den Vorinstanzen versagte Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit in Höhe von mindestens 1.250 € und die Beklagte eine Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils, soweit sie mit dem Berufungsurteil zu mehr als insgesamt 894,02 € verurteilt worden ist.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Unbegründet ist nach dem Urteil des für das Reiserecht zuständigen X. Zivilsenats die Revision der Beklagten. Sie wendet sich ohne Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht bereits in der Unterbringung der Kläger in einem Hotel ähnlichen Standards und ähnlicher Ausstattung, das jedoch nicht das von den Klägern gebuchte war, einen Mangel gesehen hat, der für die betreffenden Urlaubstage zu einer Verringerung des geschuldeten Reisepreises um 10 % führt. Der Wert der vom Reiseveranstalter tatsächlich erbrachten Leistung entsprach nämlich nicht dem Wert der gebuchten. Wie etwa „Fortuna-Reisen“ zeigen, bei denen der Reiseveranstalter Einzelheiten der Reise wie das Hotel nachträglich bestimmen darf, zahlt der Reisende, dem vertraglich ein bestimmtes Hotel versprochen wird, einen Teil des Reisepreises auch dafür, dass er diese Auswahl nach seinen persönlichen Vorlieben selbst trifft und gerade nicht dem Reiseveranstalter überlässt.
Die Revision der Kläger, mit der sie sich dagegen wenden, dass ihnen die Vorinstanzen eine Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit versagt haben, ist hingegen begründet. Der Bundesgerichtshof hebt insoweit das Berufungsurteil auf und spricht den Klägern eine Entschädigung in Höhe von 600 € zu. Das Berufungsgericht hat zwar im Ausgangspunkt zutreffend angenommen, dass der Anspruch auf eine angemessene Entschädigung nach § 651f Abs. 2 BGB voraussetzt, dass nicht nur einzelne Reiseleistungen oder einzelne Reisetage, sondern die Reise insgesamt vereitelt oder erheblich beeinträchtigt worden ist. Ob dies der Fall ist, hängt aber nicht davon ab, ob die Minderung des Reisepreises wegen Mängeln einzelner Reiseleistungen einen bestimmten Mindestprozentsatz des gesamten Reisepreises übersteigt.
Im Streitfall hat das Berufungsgericht eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise zu Unrecht verneint. Es hat angenommen, dass die ersten drei von zehn Urlaubstagen ihren Zweck weitgehend nicht erfüllen konnten, weil die schwerwiegenden hygienischen Mängel des den Klägern zunächst zur Verfügung gestellten Hotelzimmers den Aufenthalt in diesem „schlechthin unzumutbar“ gemacht haben und der Tag des Umzugs in das gebuchte Hotel im Wesentlichen nicht zur Erholung dienen konnte; es hat den anteiligen Reisepreis für diese Tage deshalb als um 70 bzw. 100 % gemindert angesehen. Auch wenn die verbleibenden Tage von den Klägern uneingeschränkt für den Strandurlaub genutzt werden konnten, wird bei einer derart weitgehenden Entwertung eines Teils der nach Wochen oder Tagen bemessenen Urlaubszeit diese teilweise „nutzlos aufgewendet“ und damit auch die Reise insgesamt erheblich beeinträchtigt.
Vorinstanzen:
AG Düsseldorf – Urteil vom 6. Mai 2016 – 44 C 423/15
LG Düsseldorf – Urteil vom 2. Dezember 2016 – 22 S 149/16
Die maßgeblichen Vorschriften lauten:
- 651c Abs. 1 BGB
Der Reiseveranstalter ist verpflichtet, die Reise so zu erbringen, dass sie die zugesicherten Eigenschaften hat und nicht mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzen aufheben oder mindern.
- 651d Abs. 1 BGB
Ist die Reise im Sinne des § 651c Abs. 1 mangelhaft, so mindert sich für die Dauer des Mangels der Reisepreis nach Maßgabe des § 638 Abs. 3. § 638 Abs. 4 findet entsprechende Anwendung.
- 651f BGB
(1) Der Reisende kann unbeschadet der Minderung oder der Kündigung Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen, es sei denn, der Mangel der Reise beruht auf einem Umstand, den der Reiseveranstalter nicht zu vertreten hat.
(2) Wird die Reise vereitelt oder erheblich beeinträchtigt, so kann der Reisende auch wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen.
Karlsruhe, den 21. November 2017
Pressestelle des Bundesgerichtshofs 76125 Karlsruhe
Pressemitteilung des BGH vom 21.11.2017